Wer sich nach dem Essen unwohl fühlt, der sucht nach Ursachen und Lösungen. Schnell kommen einzelne Nahrungsmittel in den Verdacht das Übel zu sein. Und wer hat nicht schon die laktose- und gluten-freien und fruktose-arme Produkte gesehen.
Wann solltest du also einen Verzicht in Betracht ziehen und was kann sonst dahinter stecken, dass so viele Menschen auf Nahrungsmittel verzichten?
Was sind Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten?
Eine Unverträglichkeit ist keine Erkrankung sondern eine Befindlichkeitsstörung. Das heißt es ist zwar unangenehm davon betroffen zu sein, aber es hat keine gesundheitlich-schweren Konsequenzen. Und kleine Mengen des verdächtigen Stoffes können Betroffene meist problemlos verzehren.
Wie viele Menschen von einer Unverträglichkeit betroffen sind, dazu gibt es keine genauen Zahlen. Doch es verzichten mehr Menschen auf einzelne Lebensmittel als es wohl nötig wäre.
Worin besteht der Unterschied zu einer Nahrungsmittelallergie?
Bei einer Allergie kommt es zu einer Überreaktion der Antikörper gegenüber bestimmten Proteinen in Nahrungsmitteln.
Etwa 5% der Deutschen leiden unter einer Nahrungsmittel-Allergie und müssen deshalb bestimmte Lebensmittel meiden. Denn eine Nahrungsmittel-Allergie kann gefährlich werden. Von Ausschlägen, Entzündungen, Schwellungen bis hin zu einem anaphylaktischer Schock. Hier ist also besondere Vorsicht geboten.
Dafür müssen die häufigsten Allergene auf verpackten Lebensmitteln ausgezeichnet werden und jeder Anbieter von Speisen muss auf Nachfrage eine Liste der möglichen Allergene vorzeigen können.
Wie findet man heraus ob man eine Unverträglichkeit hat?
Auf Allergien kann man sich testen lassen, über den Prick-Test zum Beispiel stellt der Arzt eine solche fest. Auch die Zöliakie stellt nur der Arzt mittels Untersuchung fest.
Bei Unverträglichkeiten gibt es zwei zuverlässige Möglichkeiten, zwei Atemtests. Einer für die Laktose-Intolleranz und einer für die Fruktose-Malabsorption.
Die oft beworbenen IgG-Tests sollten allerdings gemieden werden. Diese stellen keine aussagekräftige Werte dar, weil die gemessenen Antikörper ganz natürlich in unserem Körper auftreten, wenn man dieses Lebensmittel bereits verspeist hat.
Wenn du über den Laktose-/Fruktose-Atemtest hinaus herausfinden möchtest, was deine Verdauung zum streiken bringt, dann kann eine Auslass-Diät helfen. Diese solltest du mit einem Ernährungsberater oder Ernährungsmediziner durchführen. Denn die Durchführung sollte gut geplant sein und die Auswertung eines Ernährungs-Symptom-Tagebuchs ist nicht immer ganz leicht. Außerdem sagt dir eine Fachkraft auf welche Faktoren du achten solltest, wie eine Auslass-Diät gelingt und nicht zu vergessen, wie ausgelassene Lebensmittel auch wieder in den Speiseplan integriert werden sollten.
Was ist gefährliches dran an Laktose und Co.?
Am weitesten verbreitet ist wohl die Laktose-Intolleranz. Es ist eigentlich eine Mutation, dass in einigen Teilen der Welt Menschen auch noch im Erwachsenenalter Milch problemlos trinken können. Die Enzyme (Laktase) zur Spaltung von Milchzucker werden nach der Stillzeit immer weniger in unserem Körper gebildet und so tut sich der Darm schwer den Zweifachzucker zu spalten. Der gärt dann fleißig und führt zu leichten Beschwerden. Auch abhängig wie viel Laktose aufgenommen wurde. Das fehlende Enzym (Laktase) kann man entweder zum Milchkonsum zu sich nehmen, auf bereits vorgespaltene Milchprodukte (ausgezeichnet als „laktosefrei“) oder von Natur aus laktosefreie Lebensmittel (wie Pflanzendrinks) nutzen. Bei vielen verarbeiteten Milchprodukten wie Käse ist durch die Herstellung der Zucker meist schon gespalten und diese Produkte sind trotz Laktose-Intolleranz gut verträglich.
Die Fruktosemalabsorption kommt durch eine defektes Transportprotein im Darm zustande. Einzelne Portionen Obst sind auch dabei meist kein Problem, sondern erst wenn viel mehr (meist erst über 25g) Fruktose in kurzer Zeit aufgenommen wird. Das kann zum Beispiel durch Säfte der Fall sein, aber auch viele industriell verarbeitete Produkte enthalten Fruktosezusätze. Achtung deshalb bei Produkten die mit dem angeblich so gesunden Agavendicksaft gesüßt wurden. Wenn du mit fruktosereichen Mahlzeiten Probleme hast, kann es schon helfen etwas Traubenzucker dazu zu essen.
Die Gluten-Unverträglichkeit (nicht zu verwechseln mit der ernsthaften Zöliakie) und die Weizensensitivität (nicht verwechseln mit Weizenallergie) sind noch (?) nicht diagnostizierbar. Wer die Vermutung hat darunter zu leiden, der sollte es mit einer betreuten Auslassdiät versuchen. Denn häufig müssen nicht alle gluten-/weizen-haltigen Lebensmittel vom Speiseplan gestrichen werden, damit es ihnen besser geht. Die Wissenschaft rätselt noch worauf die Betroffenen tatsächlich reagieren. Auf das Gluten? Vielleicht auf ATIs (das sind Inhibitoren die eine Immunreaktion auslösen können)? Vielleicht hängt es aber auch mit dem Einsatz und der Zubereitung moderner Lebensmittel zusammen.
Eher seltener hört man von Sorbitolintolleranz und Pseudoallergien auf Schwefel und Sulfite. Und die noch umstrittene und kaum erforschte Histaminintolleranz. Es gibt eben einen Haufen Nahrungsmittel und Inhaltsstoffe die zu Unwohlsein führen können, ohne dass sie allgemein gefährlich sind.
Was taugen Ersatzprodukte?
Laktosefreie Produkte kann man grob einteilen in von Natur aus laktosefrei: dazu zählen zum Beispiel Pflanzendrinks (wie Soja-, Mandel-, Haferdrink) und natürlich alle Produkte die keine Milch(-bestandteile) enthalten; in laktose-arme oder laktosefreie Produkte durch Herstellung: wie zum Beispiel bei Butter und Käse; und Produkte denen bei der Herstellung Laktat zugefügt wurde wie zum Beispiel laktosefreie Milch. Gesundheitlich gibt es da kaum einen Unterschied zwischen laktosehaltiger und laktosefreier Milch und Milchprodukten.
Fruktosearme Produkte enthalten in der Regel weniger Fruchtzucker als ihre Konkurrenz im Regal. Bei Säften können zum Beispiel fruktoseärmere Obst und Gemüsesorten beigemischt sein. Aber es sind eben meist verarbeitete Produkte ausgelobt und die bekommen dann einen oder mehrere andere Zuckerarten zugesetzt um den Geschmack anzugleichen. Gesünder ist das kaum. Ein Blick auf die Zutaten und Nährwertangaben ist bei solch ausgezeichneten Produkten ratsam.
Glutenfreie Produkte können von Natur aus kein Gluten enthalten. Das trifft für alle Lebensmittel außer der Getreidesorten (Weizen, Dinkel, Roggen, ..) zu. Reis und Pseudogetreide wie Buchweizen, Amaranth, .. enthalten ebenso kein Gluten. Bei Haferflocken müssen Zölialie-Patienten aufmerksam sein, denn da kommt es auf Ernte- und Verarbeitung an. Bei verarbeiteten Produkten mischt sich jedoch manchmal Weizen unter wo man es nicht unbedingt erwartet. Und Produkte wie Brot und Nudeln, die wir eigentlich aus Getreide kennen, müssen in ihrer glutenfreien Variante häufig tief in die Herstellerkiste greifen um Geschmack und Konsistenz nachzuahmen. Und die stark verarbeiteten Snacks und Fertiggerichte sind in der glutenfreien Variante auch nicht gesünder (oder gar kalorienärmer). Wer also nicht an Zöliakie leidet kann auf solche Produkte getrost verzichten. Es spricht natürlich auch nichts dagegen neue Entwicklungen (wie Nudeln aus Hulsenfrüchten, o.ä.) aus reiner Lust am Ausprobieren und zur Abwechslung auf den Teller zu bringen, wenn es den schmeckt.
Woher kommt also die Panik vor den heute benannten Stoffen? Zum Teil sind es „Influenzer“ und Prominente die Heilsversprechen über ihre Frei-von-Diäten tätigen. Doch auch Bestseller im Buchhandel trugen sicher dazu bei. Und natürlich hat sich die Presse auf all diese Stories gestürzt und die Hysterie verstärkt.
Doch Laktose und Fruktose sind ebenso wenig gefährlich wie der angeblich dick machende Weizen oder das uns dumm machende Brot (diese Buchtitel schaffen nichts als Panik und verschieben wissenschaftliche Studien zu reißerischen Schlagzeilen).
Doch das Weglassen all dieser neuen Bösewichte ist weder ein Zaubermittel gegen den Hüftspeck, noch sind Ernährungsweisen „frei-von“ automatisch gesünder. Vielleicht macht uns der Überfluss an Nahrungsmittel und die immer wiederkehrenden Lebensmittel-Skandale anfälliger für überschnelle Selbstdiagnosen. Vielleicht können wir natürliche Körperreaktionen nicht mehr deuten und vergessen bei der Suche nach dem Schuldigen unsere kleinen und großen Ernährungssünden. Vielleicht findet es der ein oder andere auch trendy auf bestimmte Stoffe zu verzichten.
Doch sich unnötig einzuschränken und in seiner Lebensmittelauswahl zu kasteien, kann auch erst dadurch eine unausgewogene und damit ungesunde Ernährung hervorbringen.
Verdauungsbeschwerden nachzugehen ist sinnvoll, wenn sie länger anhalten. Aber dann bitte mit Sinn und Verstand – und vielleicht mit kompetenter Unterstützung.



