Wie triffst du Entscheidungen und auf Basis welcher Informationen entscheidest du? Täglich müssen wir Unmengen Entscheidungen treffen, große und kleine. Vieles kommt dir vielleicht gar nicht wie eine Wahl vor, weil du dich an Regeln und Gesetze hältst oder deine Gewohnheit dich antreibt. Unabhängig davon, ob du glaubst aus dem Bauch heraus entschieden zu haben oder ob du einer bewussten Überlegung gefolgt bist, ganz ohne äußeren Einfluss war es sicher nicht.
Nach einem Umfrageergebnis welches die DGE vor einer Weile twitterte zum Thema Nudging, lehnt es die Mehrheit der Verbraucher ab, bei ihrer Essensauswahl beeinflusst zu werden. Und ich kann die Reaktion auf äußere Beeinflussungsversuche verstehen, möchte dir das Thema aber noch von seinen verschiedenen Aspekten zeigen. Und so dich selbst schützen und es für dich selbst nützlich machen kannst.
Doch fangen wir etwas weiter vorne an:
Was ist Nudging?
Übersetzt bedeutet „to nudge“ so etwas wie sanftes anstubsen. Nudging ist eine Methode mit der die Umwelt so gestaltet wird, dass eine bestimmte Entscheidungsauswahl gefördert und so die Entscheidungsauswahl beeinflussen wird. Dabei werden drei wichtige Eigenschaften zusätzlich gefordert.
Erstens, den Erhalt der Entscheidungsfreiheit. Anders als ein Verbot, besteht weiterhin die Möglichkeit anders zu wählen, als es vom Entscheidungsträger erwartet wird. Des Weiteren soll auf einen starken Anreiz verzichtet werden. So sollte es zum Beispiel keinen finanziellen Anreiz oder Einbußen geben, wenn man für oder gegen die bevorzugte Wahlmöglichkeit entscheidet. Der letzte Punkt ist Transparenz. Es sollen alle Wahlmöglichkeiten erkennbar und deren Auswirkungen soweit möglich bekannt sein.
Innerhalb der Methode werden verschiedene Stufen unterschieden. Sie reichen von einem „informativen Nudge“, zu „Framing“ und „Defaults“. Bei einem informativen Nudge wird mehr Informationsmaterial zur Verfügung gestellt, um die persönliche beste Lösung auszuwählen. Beim Framing meint man die Beeinflussung der Entscheidungssituation und der Präsentation von Optionen. Defaults zu nutzen, bedeutet eine Vorauswahl zu treffen, die vom Einzelnen geändert werden kann.
Kritik am Nudging
Kritiker bemängeln, dass Nudging die Freiheitsbegrenzung des Konsumenten fördere. Durch solche Maßnahmen würden Menschen gelenkt werden, statt sie mit ihrem Verstand selbst wählen zu lassen.
Nach Thaler und Sunstein* ist es unmöglich nicht zu „nudgen“. Allein die Reihenfolge der Auswahl, die Auswahl der Gruppe und das Angebot selbst, beeinflusst unsere Entscheidung.
Der Mensch ist in seiner Informationsverarbeitung außerdem begrenzt – zum Teil fehlen uns Informationen, wir unterliegen emotionalen Einflüssen und schwankenden Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Werden bei der Überlegung zum Nudging sowohl die Entscheidungsarchitektur, als auch Hinweisreize und Gewohnheiten beachtet, so kann Nudging dazu beitragen, eigene Ziele in Erinnerung zu rufen und so helfen die freie Entscheidung umzusetzen. Umgekehrt betrachtet kann es unsere eigene Fehlerrate (wenn wir gegen unsere Überzeugung, Wünsche handeln) reduzieren.
Chancen des Nudging
Nudges sind weniger harte Beeinflussungen als Gesetze. Statt Verboten oder strikten Reglementierungen kann die Entscheidung selbst beim Einzelnen bleiben, aber durch entsprechende Einstellungen zu einer für die Gemeinschaft zuträglichen Wahl beitragen.
Ein Beispiel ist das Thema „Organspendeausweis“. Egal wie wir zu diesem Thema stehen, hier in Deutschlang müssen wir selbst aktiv werden, wenn wir im Falle des Falles unsere eigene Entscheidung durchsetzen wollen (und nur so am Rande: hier gibt’s einen). Resultat ist eine mit <20% im internationalen Vergleich sehr niedrige Rate. In anderen Ländern (z.B. Österreich) ist potentiell jeder Organspender, wenn er/sie sich nicht aktiv darum kümmert gegenteiliges zu dokumentieren. Dies führt zu einer >90% Abdeckung! Neben dem Ausschalten der Trägheit des Einzelnen, wird durch solche Maßnahmen auch eine andere Normalität geschaffen. Ob dies in allen Fällen gut oder schlecht ist, möchte ich hier nicht im Allgemeinen diskutieren.
Nudging im Ernährungsbereich
Im Bereich Ernährung finden sich viele Anwendungsmöglichkeiten, die häufig am Markt verwendet werden um den Absatz zu erhöhen.
Die Verfügbarkeit ist eine Spielgröße. Limitierte Angebote können den Drang wecken, mehr oder überhaupt zuzuschlagen, obwohl der Bedarf nicht im vollen Umfang vorliegt. Dabei werden die Begrenzungen nicht auf Grund der tatsächlichen Verfügbarkeit gesetzt, wie es z.B. für saisonale Produkte der Fall ist, sondern als strategisches Mittel vom Hersteller eingesetzt.
Auch die Größe oder Mengenbemessung kann, vor allem als preislicher Anreiz, herangezogen werden. Größere Verpackungen versprechen eine günstigeren Preis. (Vorsicht: das ist nicht immer der Fall! Immer den Grundpreis prüfen, der ausgeschrieben sein muss.)
Denken wir an das Ambiente oder die Präsentation in der Speisen angeboten werden, zeigen sich auch hier unwillentliche Verhaltensmuster bei Versuchen. In einer angenehmen Atmosphäre lassen wir uns mehr Zeit – zum essen und schlendern. Wenn uns dann noch etwas ansprechend präsentiert wird, ggf. auch noch mit der Möglichkeit einer Verkostung, ist die Verfügung fast perfekt.
Bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln denkst du vielleicht im ersten Moment nur an den informativen Gehalt, aber Aufschriften wie „natürlich“, „frei von“, usw. sollen uns als Verbraucher nicht nur informieren, sondern auch positiv in unserer Wahl bestätigen. Diese „Green Labels“ versprechen Gesundheit und Wohlbefinden und können dadurch einen Konsumreiz auslösen.
Dazu spielt auch das Design eine entscheidende Rolle. Geschickt eingesetzt wirken Produkte frischer, gesünder – besser. Und auch wenn du als Leser wahrscheinlich aus dem Alter raus bist, indem man Helden und Idolen folgt: Comic-Figuren und Film-Charaktere sind nicht zufällig in Werbung und auf Produktverpackungen.
Nächste Woche zeige ich dir in Teil 2 wie du Nudges für dich selbst einrichten und nutzen kannst.




Ein Gedanke zu “Nudging – zwischen Aufklärung und Zwang”
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